Positionspapier > wassersensible Straßenraumgestaltung <
Die Folgen des Klimawandels nehmen zu und treffen Städte wegen ihres hohen Versiegelungsgrades am härtesten. Längere Hitze- und Trockenperioden gefährden das Stadtgrün und werden durch urbane Rahmenbedingungen, verdichtete und versiegelte Böden, eingeschränkte Wurzelräume mit gestörtem Bodenlufthaushalt, geringes Wasserangebot und Hitzestau verstärkt. Demgegenüber stellen Starkregenereignisse eher ein Problem der dezentralen Regenwasserbewirtschaftung dar, die wegen immer öfter überschrittener Kapazitätsgrenzen der Kanalisationssysteme vor extremen Herausforderungen steht. Als Konsequenz müssen allerorts rasch potentielle Speicher- und Versickerungsräume erschlossen werden.
Für dieses Ziel sind mit den Grünflächen und Straßenbaumstandorten sehr früh die wenigen unversiegelten Flächen als Retentionsräume in den Fokus der Siedlungswasserwirtschaft geraten und für den Bau von Versickerungsmulden oder Speicheranlagen in Anspruch genommen worden. Die Nutzung von Baumstandorten für die Versickerung wird sehr schnell seitens der Stadtplanung und der Politik vorangetrieben, da man sich dadurch eine win-win-Situation verspricht, die einerseits Starkregenfolgen abmildern und andererseits Trockenstress der Bäume vermeiden soll. Leider fehlte zumeist eine frühzeitige Begleitung durch Baumfachleute.
Die Städte benötigen zwar großvolumige Retentionsräume, dezentrale Versickerungsanlagen dürfen aber nicht mit den Wurzelräumen des Baumbestands konkurrieren und müssen außerhalb der für Straßenbäume vorgesehenen Standorte realisiert werden. Vor allem Straßenbäume haben extreme Lebensbedingungen und erreichen oft nur einen Bruchteil ihrer natürlichen Lebenserwartung. Wegen ihrer unschätzbaren Bedeutung für das städtische Klimafolgenmanagement dürfen sie nicht mit zusätzlichen Funktionen belastet werden. Stattdessen müssen ihre Standortbedingungen auf baumspezifische Anforderungen hin optimiert werden. Jegliches bauliche Eingreifen in ihren Wurzelraum ist dabei im hohen Maße kontraproduktiv.
Dieses Positionspapier soll den laufenden Prozess aus Baumsicht beleuchten und damit Fachwissen für die öffentliche Diskussion zur Verfügung stellen.
Urbane Grünstrukturen mildern die Folgen des Klimawandels, sind aber durch ebendiesen selbst in ihrer Funktionalität bedroht. Diesen Entwicklungen soll städtebaulich mit dem Prinzip der wassersensiblen Stadt („Schwammstadtprinzip“) begegnet werden. Stadtquartiere und öffentliche Räume müssen dabei an die zunehmenden Hitze-, Dürre- und Starkregenereignisse angepasst werden. Andererseits darf die zukünftige Starkregenbewältigung keine Qualitätsverluste des Stadtgrüns zur Folge haben, die kaum mehr auszugleichen sind.
Aufbau, Pflege und Erhalt der städtischen Baumbestände stellen bereits für sich genommen eine große Herausforderung für die Grünverwaltungen dar. Deshalb steht für diese Aufgabe auch nicht die „Hydrologische Optimierung“, sondern die Optimierung der „nutzbaren Wasserspeicherkapazität“ und der grundsätzlichen Wuchsbedingungen im Vordergrund. Im Hinblick auf den Baumbestand müssen deshalb Rigolen und Mulden außerhalb von Baumstandorten realisiert werden, damit sie nicht mit den Wurzelräumen der Bäume konkurrieren, Schäden verursachen oder zu Staunässefolgen und Schadstoffanreicherung führen.
Da vor allem Altbäume sehr empfindlich auf Standortveränderungen und Wurzelverletzungen reagieren, sind auch bauliche Eingriffe in den Wurzelraum für Vorrichtungen zur Aufnahme von überschüssigem Wasser auszuschließen.
Wasserwirtschaftliche Konzepte wie „Baum-Rigolen“ sind interessensgebunden und werden den komplexen Anforderungen einer nachhaltigen Baumgrube nicht gerecht. Gefragt sind stattdessen kontrollierte Bewässerungsmöglichkeiten aus Reservoiren, die aus unbelastetem Oberflächenwasser gespeist werden, aber außerhalb der Wurzelräume liegen.
Grundsätzlich müssen Baumpflanzungen mit großräumigen Gruben, besser noch Pflanzgräben, optimiert werden, wie es die „grünen“ Regelwerke seit jeher vorgeben, damit die Bäume optimale Lebensgrundlage finden und sich langfristig aus eigener Kraft mit Wasser versorgen können.
In Verbindung mit einer Erweiterung des Artenspektrums muss der städtische Baumbestand schrittweise hin zu mehr Resilienz gegenüber den zunehmenden Herausforderungen des Klimawandels ertüchtigt werden. Auf diese Weise leisten Bäume zugleich einen zentralen Beitrag zum Klimafolgenmanagement, indem sie über Transpiration und Schattenwurf dem urbanen Wärmeinseleffekt und - bei offen gestalteten Baumscheiben - der vielfach noch immer zunehmenden Flächenversiegelung entgegenwirken.