Klimafolgenmanagement mit grüner Infrastruktur
Mit der Europawahl, einer sich tiefgreifend ändernden politischen Landschaft und erstarkenden Klimaprotesten wenden sich die Menschen gegen das Aussitzen der Klimafolgen. Europa wird im Hinblick auf die CO2-Emissionen alle Klimaziele für 2030 verfehlen. Dennoch fehlen aus der Politik klare Startsignale für den Klimaschutz, um mit konkreten Maßnahmen die Reduktionsziele zu erreichen.
Umso entschiedener muss die Klimaanpassung vorangetrieben werden, um die bereits spürbaren Folgen abzumildern und dauerhaft ein erträgliches Leben zu ermöglichen.
Klimafolgen treffen Städte am härtesten und sie müssten früher reagieren. Mit einem intelligenten Klimafolgenmanagement könnte z.B. den sich schon heute abzeichnenden Folgen aus Starkregenereignissen oder Hitze- und Trockenperioden erfolgreich begegnet werden. Dem Stadtgrün wird dabei bisher eine überwiegend unbefriedigende Rolle als Verfügungsmasse zugedacht, obwohl die Bundesregierung bereits 2015 „die Förderfähigkeit des Stadtgrüns … in den Verwaltungsvereinbarungen zur Städtebauförderung zwischen Bund und Ländern herausgestellt“ und als übergreifende Aufgabe der Stadtentwicklungspolitik erkannt hat. Ein Ergebnis des damaligen Diskussionsprozesses war das 2017 veröffentlichte Weißbuch Stadtgrün. Die Deutsche Gartenamtsleiterkonferenz begrüßte diesen Prozess nachdrücklich und bot in einem Positionspapier ihre Unterstützung an, denn die Zeit drängt für die örtliche Umsetzung der Ziele.
So nimmt die urbane Versiegelung ungebrochen zu, in den wachsenden Städten sogar beschleunigt, verschärft den Hitzeinseleffekt und zugleich die Regenwasserproblematik. Vernetzte grüne Infrastrukturen schaffen hier ein Gegengewicht als Frischluftschneisen und neu zu bauende Grünflächen mit integrierten Rückhaltemulden helfen, Starkregenereignisse abzupuffern. Die bisherigen Lösungsansätze nehmen aber zunächst reflexartig die bestehenden Grünanlagen und Straßenbaumpflanzungen als letzte verbleibende Versickerungsflächen in den Fokus, ohne dabei auch die Risiken für vorhandene Vegetation und oftmals wertvolle gewachsene Böden ausreichend auszuloten.
Besonders deutlich wird dies bei dem Versuch, den Straßenabfluss nach Regenereignissen in Baumgruben zu versickern. Wasserwirtschaftliche Konzepte wie „Baum-Rigolen“ werden aber den komplexen Anforderungen einer nachhaltigen Baumgrube nicht gerecht. Schon die Betrachtung potenzieller Streusalzeinträge aus dem Winterdienst offenbart die erheblichen Defizite.
Die unbestrittene Bedeutung von Grün in seinen unterschiedlichen Ausprägungen muss in der Stadtentwicklung uneingeschränkten Rückhalt findet. In einem aggressiven Ringen um jeden Quadratmeter bleibt das Grün gegen die Interessen von Investoren, Versorgern oder Straßenbauern bisher zweiter Sieger und es werden stattdessen Scheinalternativen entwickelt:
- Wertvolle Grünanlagen mit oftmals ungestörten Böden lassen sich in ihrer Bedeutung als Temperatursenke nicht mit neuem Abstandsgrün auf ehemaligen Industrie- oder Gewerbeflächen ersetzen, auch wenn eine innovative Landschaftsplanung dort zu hoher Aufenthaltsqualität führen kann.
- Dach- und Wandbegrünung leisten dies schon gar nicht. Auch sie müssen zwar als unverzichtbare Bausteine einer intelligenten Klimafolgenpolitik etabliert werden, aber nicht im Austausch für wertvolles Bestandsgrün.
- Noch sorgloser gehen wir mit den besten Klimaanlagen unserer Städte, den Bäumen um. Für den Verlust von 50, 80 oder 100 Jahre alten Bäumen sind Neupflanzungen kein ausreichender Ersatz und dienen vorrangig einer ausgeglichenen Baumbilanz. Junge Bäume entfalten erst nach einer ganzen Menschengeneration ihren ökologischen und klimawirksamen Wert, also ab einer Standzeit, die sie unter den bestehenden Rahmenbedingungen für Straßenbäume kaum noch erreichen werden. Neben allen Neu- und Ersatzpflanzungen von Bäumen für die Zukunft muss also der Erhalt der etablierten Bestandsbäume höchsten Stellenwert bekommen.
Die Bedeutung der Grün- und Freiraumentwicklung für ein intelligentes Klimafolgenmanagement, aber auch unter ökologischen, ästhetischen und gesundheitlichen Aspekten kommt nur zum Tragen, wenn die sich verdichtenden Städte ihre Grünflächen sichern, entwickeln und unterhalten können. Vor diesem Hintergrund benötigen wir ein stark aufgestelltes öffentliches Grün, das seine enormen Potenziale im Klimafolgenmanagement anbietet, ohne selbst von Maßnahmen gefährdet zu werden. Bei erwartungsgemäß sehr eingeschränkten personellen und finanziellen Ressourcen vieler Grünverwaltungen kommt es hier auf durchsetzungsstarke Akteure und den Schulterschluss mit den Grünen Verbänden und der gesamten Grünen Branche an.
Vorhandene Grünstrukturen vital und funktionsfähig zu erhalten und neue Grünstrukturen mit zusätzlichen Funktionen zu schaffen, sind effektive und relativ kostengünstige Anpassungsmaßnahmen an den Klimawandel. Die Kompetenz, diese Aufgaben zu bewältigen, ist in den Stadtgrünämtern vorhanden. Sie sind die Spezialisten und müssen personell und finanziell besser ausgestattet werden.