Bei allen Anstrengungen, Städte an Klimaveränderungen anzupassen, wird Bäumen wegen ihres Schattenwurfs und kühlenden Eigenschaften eine hohe Wirkung gegen innerstädtische Hitze bescheinigt. Grün- und Freiflächen zu erhalten und neu zu schaffen, insbesondere das Pflanzen von Stadtbäumen, vor allem aber der Erhalt und Schutz von Altbäumen, stellen damit zentrale Maßnahmen eines erfolgreichen Klimafolgenmanagements dar
(s.a. Stadtentwicklungsplan Klima, Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umwelt Berlin, 2011).
Die Mehrzahl der Deutschen lebt schon jetzt in Städten und erwartet gute wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rahmenbedingungen sowie hohe Mobilität mit ÖPNV, Fahrrad und PKW. Viele Städte wachsen und haben sich dabei trotz vielfältiger Nutzungskonflikte für die Innenverdichtung entschieden. Damit konkurrieren die etablierten Bestandsbäume stets um den gleichen Raum mit allen baulichen Veränderungen. Straßen- und Radwegeausbau, Streckenausbau des öffentlichen Personennahverkehrs, neue Versorgungstrassen für Wasser, Gas, Strom oder Internet und die kompakte Bebauung für dringend benötigten Wohnraum sind unverzichtbar, aber sie gehen zu Lasten der innerstädtischen Freiräume, auch am Straßenrand.
Solange sich noch Ersatzstandorte für die Nachpflanzung finden, kann die Stadt dem Verlust von Bäumen in den Bilanzen entgegenwirken. Aber selbst bei ausgeglichenen Bilanzen geht immer ein wesentlicher Teil wertvoller Baumsubstanz - i.d.R. älter als 40 Jahre (am Standort) – im Tausch gegen Neupflanzungen verloren. Dies ist ein Qualitätsverlust sowohl mit Blick auf die Wohlfahrtswirkung, als auch aus ökologischer und stadtklimatischer Sicht. Denn es sind vor allem die großen Bäume, die aufgrund ihrer Krone zu einer Dämpfung der sommerlichen Hitze beitragen, die zum Aufenthalt im Schatten einladen und die den in der Stadt lebenden Tieren Lebensraum und Nahrung bieten.
Ergebnisse aus einem Hamburger Forschungsvorhaben „Stadtbäume im Klimawandel - SiK“ unterstreichen, dass gerade die Altbäume unsere Klimaspezialisten sind. Die Untersuchungen von Thomsen (2017) am Beispiel von großen Stieleichen am Straßenrand des Borgwegs mit Kronenradien von 13 – 18 m belegen, dass diese Bäume in der Lage sind, mit ihrem ausgedehnten Wurzelsystem Wasservorräte zu erschließen, die in Zeiten des Wassermangels im Boden dennoch eine ausreichende Verdunstung sicherstellen können.
Hinsichtlich der Kronengröße werden Bäume von der FLL (2015) in drei Klassen eingeteilt:
- Ordnung (große Bäume), Wuchshöhe bis ca. 40 m, oberirdischer Raumbedarf bis über 4.000 m3
- Ordnung (mittelgroße Bäume), Wuchshöhe bis ca.20 m, oberirdischer Raumbedarf bis über 1.500 m3
- Ordnung (kleine Bäume), Wuchshöhe über 10 (bis 15) m, oberirdischer Raumbedarf bis über 1.000 m3.
Betrachtet man im Rahmen der Stadtplanung die Bäume mit einem Kronendurchmesser von mindestens 10 m als bevorzugt zu schützende Baumklasse, dann beträgt z.B. in Hamburg der zahlenmäßiger Anteil rd. 39 %, sie tragen aber zu mehr als 70 % zur Gesamtkronenfläche aller Straßenbäume bei. Da die Funktion der Bäume genau genommen nicht von der Kronenfläche, sondern vom Volumen der Krone und dem Blattflächenindex abhängt, wird der Wert der Bäume im Grundsatz sogar noch unterschätzt. Dies bedeutet, dass der Beitrag der Straßenbäume mit mehr als 10 m Kronendurchmesser zu den Ökosystemleistungen vermutlich deutlich über 70 % liegt.
Insofern kann der eingegrenzte Blick auf Altbäume missverstanden werden. Natürlich sind hier die über 100jährigen zu nennen. Hamburg z.B. kommt auf mehr als 11.000 Straßenbäume, die älter als 100 Jahre sind. Das entspricht aber nur 5% des Gesamtbestands. Wenn wir jedoch Bedeutung und Zukunftsaussichten von Bäumen betrachten, müssen vitale und großkronige Straßenbäume schon ab Alter 40 Jahre als besonders schützenswert gelten, denn diese Bäume haben damit bereits ihre Zukunftsfähigkeit aufgezeigt. Sie besitzen das Potenzial, zunehmende Probleme mit Baumkrankheiten, Baumschädlingen, Schadstoffen und den sich abzeichnenden Folgen des Klimawandels zu bewältigen.
Bäume zeigen aufgrund ihre Vitalität und erreichten Größe, wie gut sie sich den meist widrigen Standortbedingungen anpassen konnten, um ihr Wachstum sicherstellen und auch in kritischen Jahren zumindest überleben zu können. Deshalb sollte sich der Schutz des vorhandenen Baumbestands besonders auf diese Bäume konzentrieren. Ihr Erhalt muss ein zentraler Aspekt nachhaltiger Stadtentwicklung werden, sowohl für gesamtstädtische Planungsprozesse als auch für kurzfristige Entscheidungen bei lokalen Umbauplanungen.