Der Arbeitskreis Stadtbäume der Deutschen Gartenamtsleiterkonferenz (GALK) und die Arbeitsgruppe Stadtbäume der Vereinigung Schweizerischer Stadtgärtnereien und Gartenbauämter (VSSG) fordern den Schutz der Stadtbäume vor den schädlichen Wirkungen von Salzen. Dies gilt sowohl für Streusalz, Feuchtsalz und Sole zur Bekämpfung von Glätte im Rahmen des Winterdienstes.
Bereits im Dezember 2011 haben GALK und VSSG dazu ein gemeinsames Positionspapier herausgegeben. Vor dem aktuellen Hintergrund des bundesweiten Ausbaus der Radverkehrsinfrastruktur und der damit verbundenen Forderung nach einem intensivierten Winterdienst für Radwege verschärft sich die Problematik weiter zu Lasten der Straßenbäume.
Dies nehmen beide Verbände zum Anlass, die Herausforderung erneut in einem gemeinsamen Positionspapier mit dem Titel "Einsatz von Streusalz und seine Konsequenzen für Straßenbäume" zu behandeln.
Der öffentliche Straßenwinterdienst soll auch unter widrigen Witterungsbedingungen verkehrssichere Zustände gewährleisten. Ein differenziert durchgeführter Räum- und Streudienst sollte dabei sicherstellen, dass Streumittel sparsam und entsprechend ihrer Zweckmäßigkeit eingesetzt werden.
In vielen Städten und Gemeinden wird nach einem vom Umweltbundesamt (UBA) anerkannten Verfahren gehandelt, das eine bedarfsgerechte örtlich und zeitlich dem Wettergeschehen sowie den Verkehrs- und Umweltbedürfnissen angepasste Räum- und Streumethodik gewährleisten soll.
Bei der Bewertung, ob und in welchem Maße Tausalz im Winterdienst Verwendung finden soll, müssen den Sicherheitsanforderungen der Verkehrsteilnehmer gleichrangig die zu erwartenden Folgeschäden in der straßenbegleitenden Vegetation, insbesondere im Baumbestand, gegenübergestellt werden.
Auch in den üblichen Kostenvergleichen zwischen (billigem) Salz und (teurem) Splitt muss dies Berücksichtigung finden. Reinigung der Sieleinläufe, Aufnahme, Abtransport und Entsorgung des verunreinigten Splitts machen seinen Einsatz aufwändig und teuer. Den scheinbar kostenlos in Boden und Vorfluter verschwindenden Tausalzen müssen jedoch auch die Kosten für verstärkte Baumkontrolle, Baum- und Bodensanierung zugeschlagen werden, um einen realen Vergleich zu den Splittkosten ziehen zu können.
Seit den heftigen Schneewintern zum Ende der 70er Jahre unternahmen viele Städte und Gemeinden größte finanzielle und personelle Anstrengungen für eine umfassende Grundsanierung des Straßenbaumbestands. Dies zeigte messbare Erfolge im Gesamtbild der Straßenbäume und senkt den notwendigen und kostspieligen Pflegeaufwand.
Der Einsatz hoher Tausalzmengen im Winterdienst stellt diese Erfolge wieder in Frage:
- Bei nennenswertem Überschreiten des kritischen Belastungswertes von 100 mg Na bzw. Cl / kg Boden muss aufgrund der Erfahrungen inHamburg wieder mit einer erheblichen Schadenszunahme und steigenden Ausfällen im Baumbestand gerechnet werden.
- Zu erwarten sind Mehrkosten, vor allem bei Vorsorge- und Sanierungsleistungen, sowie Ausfälle in der Größenordnung bis zu 10% insbesondere im vorgeschädigten Altbaumbestand.
- Ein Ersatz dieser Bäume kann bei fortlaufender Salzstreuung aus technischen und finanziellen Gründen nicht empfohlen werden. Daraus ergibt sich ein Grünverlust vorrangig in den Innenstadtbereichen.
- Technische Abschirmeinrichtungen haben sich in aller Regel als wirkungslos erwiesen; die erheblichen Durchwurzelungsbereiche von Bäumen lassen einen baulichen Schutz vor Salzschäden nur in Einzelfällen sinnvoll erscheinen und sind zudem kostspielig.
Resultierender Handlungsbedarf bei Ausweitung des Tausalzeinsatzes:
Eine Vitalitätssteigerung der Bäume, die ihre Widerstandskraft auch gegen Streusalz verbessert, erfordert erhöhten Pflegeaufwand mit Düngung, Wässerung, Bodenpflege und den entsprechenden Mehrkosten. Ggf. muss ein Bodenaustausch in regelmäßigen Abständen erfolgen. Damit verbunden sind weitere Folgekosten u.a. durch wiederkehrende Vorsorge- und Sanierungskosten oder Abtransport und Deponiekosten der belasteten Böden.
Im Sinne eines umweltschonenden und ökonomischen Winterdienstes besteht somit von Seiten des AK-Stadtbäume die Forderung, technische Entwicklungen in der Wetterbeobachtung, der Wetterprognose und der sonstigen Geräte- und Streutechnik zu verfolgen und mit höchster Priorität zu berücksichtigen.
Erläuterung zur Auswirkung von Tausalzen auf Bäume
- Referenzwert von unbelasteten Böden im norddeutschen Raum beträgt 10 - 20 mg Na bzw. Cl / kg Boden
- unter 50 mg Na bzw. Cl / kg Boden sind keine Schäden zu erwarten
- bei über 100 mg Na bzw. Cl / kg Boden können bei ungünstigen Bedingungen Baumschäden auftreten
- über 150 mg Na bzw. Cl / kg Boden verursachen bei den meisten Bäumen Schäden (Nekrosen, Wachstumsdepressionen)
Salz (Natriumchlorid) führt zu einem Strukturverfall der Bodenpartikel, der Boden verdichtet sich, sein Sauerstoffgehalt nimmt ab und die Wasseraufnahme wird so stark beeinträchtigt, dass es bis zur Austrocknung der Pflanzen, der Wipfeldürre bei Bäumen, kommen kann (physiologische Trockenheit).
Natrium- und Chloridionen sind phytotoxisch und verschärfen durch Austauschvorgänge mit anderen Ionen im Boden die Mangelsituation der Bäume im Straßenraum.
Chloridionen werden schnell in großen Mengen über die Wurzel aufgenommen, da sie sich wegen ihrer hohen Mobilität in der Bodenlösung in der Rhizosphäre anreichern können.
Als Folge führen bei trockener Witterung und damit hoher Wasseraufnahmerate selbst niedrige Chloridgehalte im Boden zu Blattnekrosen. Da zwischen Cl-Gehalt der Blätter und dem Schädigungsgrad der Bäume eine enge Beziehung besteht (Ruge,1972; Leh,1973), gilt die Streusalzanwendung als eine Hauptursache für die Schäden an Straßenbäumen.
Die schädliche Wirkung von Natriumionen auf die Baumvitalität erfolgt in erster Linie indirekt durch die o.a. Verschlechterung der Bodenstruktur. Hohe Salzkonzentrationen in der Bodenlösung sowie die eingeschränkte Wurzelatmung vermindern die Ausscheidung von Natrium und Chlorid aus den Wurzeln und führen zur Anreicherung dieser Ionen in den Bäumen.
Im Sinne des Bodenschutzes sind aber die natürlichen Funktionen des Bodens nachhaltig zu sichern, wobei schädliche Bodenveränderungen abzuwehren sind. Das betrifft auch den Eintrag von Substanzen wie Salz, die das Bodenleben stören oder sogar abtöten.
Die Wirksamkeit von Sanierungsmaßnahmen hängt ebenso von der Intensität der Streusalzanwendung und somit von der Höhe der Salzbelastung im Boden sowie von der im Holz gespeicherten Salzmenge ab. Zusätzliche Bewässerung bewirkt dabei keine erkennbare Revitalisierung der Bäume (Mekdaschi, Horlacher, Piston, Schulz; 1989).
Kalziumchlorid wird hinsichtlich seiner vegetationsschädlichen Wirkung meist nicht anders, bisweilen sogar als toxischer beurteilt als NaCl; dies gilt auch für CaCl2-Lösung.
Auch Magnesiumchlorid weist hinsichtlich der Vegetationsschäden keine Vorteile gegenüber NaCl auf.
Wegen ihrer biologischen Abbaubarkeit sind die Salze der Ameisen- und Essigsäure (Formiate & Acetate) im Gegensatz zu Chloridsalzen zwar umweltfreundlicher, aber der natürliche Abbauprozess geht mit einer erhöhten Sauerstoffzehrung im Boden einher und wird für großflächigen Einsatz im Winterdienst nach Kenntnissen zum aktuellen Stand der Technik vom Umweltbundesamt1 ebenfalls nicht empfohlen.
(1 Umweltbundesamt; 2020: Welche Umweltwirkungen haben andere Auftau- und Flugzeugenteisungsmittel? https://www.umweltbundesamt.de/service/uba-fragen/welche-umweltwirkungen-haben-andere-auftau, abgerufen am 03.12.2021)