Wir brauchen naturbasierte Lösungen für ökologische Vielfalt

Stadt+Grün befragt GALK-Präsident Rüdiger Dittmar, Leiter des Amtes für Stadtgrün und Gewässer der Stadt Leipzig, zu aktuellen Projekten der Gartenamtsleiterkonferenz, wie der artenreichen Stadtnatur zur Baugesetznovelle und zum beschlossenen Investitionspaket zur Klimaanpassung. Fragen von Mechthild Klett.

Das Thema der GALK-Tagung ist in diesem Jahr unter anderem, wie es mehr artenreiche Stadtnatur in einer technikorientierten Infrastruktur in der Stadt geben kann – denken wir etwa an den Verlust von 75 Prozent der Insektenpopulationen innerhalb der vergangenen 30 Jahre. Was können Gartenamtsleiter:innen tun, um hier gegenzusteuern?

Dittmar Ruediger 2022 400x300GALK-Präsident Rüdiger Dittmar, Leiter Amt für Stadtgrün und Gewässer. Foto: Stadt LeipzigNaturbasierte Lösungen sind der wesentliche Beitrag, den aktuellen und vielfältigen Problemlagen in unseren Städten zu begegnen. Aus meiner Sicht werden naturbasierte Lösungen künftig für Themen wie Klimaanpassung, Gesundheit oder Umweltgerechtigkeit die zentralen und zukunftsfähigen Antworten für eine zukunftsorientierte Stadtentwicklung liefern. Gleichzeitig werden diese wesentlich zum Erhalt der biologischen Vielfalt beitragen.
Je mehr ökosystemare Lösungsansätze wir in unsere Städte einbringen, indem wir diesen strategischen Ansatz künftig über alle Ressorts und Fachdisziplinen hinweg verfolgen, desto umfänglicher wird die biologische Vielfalt profitieren. Ich bin überzeugt, wir können hier wesentlich zur Trendumkehr beitragen. Wichtig ist, dass wir mit großer Fachlichkeit agieren, auf naturwissenschaftlichen Grundlagen aufbauen und neben unseren planerischen Expertisen künftig auch verstärkt digitale Methoden entwickeln. Im Fokus muss dabei immer die Umsetzung stehen. Hier bleibt die Aufgabe, rascher und flächenwirksamer in die Umsetzung zu kommen. Die natürlichen Prozesse müssen zum Vorbild und Taktgeber werden. Unser zentrales Element ist hierbei die Pflanze und deren ökosystemare Einordnung und standortgerechte Verwendung.

Sie hatten sich für die Novelle des Baugesetzbuchs (BauGB) eingesetzt. Durch die verkürzte Legislaturperiode ist diese nun ins Wasser gefallen. Wie lauten ihre Forderungen an die neue Bundesregierung hierzu zum Stichwort der nachhaltigen Stadtentwicklung, Entwicklung und Versorgung mit Grünflächen und Freiräumen und zur Versiegelung, sowie zu Folgen des Klimawandels?



Gruene Infrastruktur 2023 Foto Axel Jahn 400x300Wassersensible Stadtentwicklung Hamburg, Foto: Axel Jahn, 2023Das Diskontinuitätsprinzip, also der Grundsatz, dass ein Gesetzesvorhaben das innerhalb einer Legislatur keine Rechtskraft erlangt, in der nächsten Legislatur als erledigt gilt, hat die Novelle beendet. An dieser Stelle beginnt bereits unsere Forderung. Das BauGB muss grundlegend erneuert werden und aus meiner Sicht besteht hier auch ein breiter fachlicher Konsens. Für uns hat der Novellierungsversuch gute Ansätze beinhaltet. Zentral war die Einführung der Grundsätze der „Neuen Leipzig Charta“ und die Möglichkeit für die Kommunen im Rahmen ihrer kommunalen Selbstverwaltung durchgreifender und eigenständiger, beispielsweise über Satzungen auch zu Klimaanpassungsmaßnahmen, tätig zu werden. Die Aufnahme der wassersensiblen Stadtentwicklung war ebenfalls ein sehr positiver Ansatz. Auf der anderen Seite drohte jedoch der „Bauturbo“. Und hier müssen wir ansetzen. Ich bin der festen Überzeugung, dass eine grundlegende Überarbeitung des BauGB notwendig ist. Mit der ständigen Addition neuer Anforderungen überfordern wir die gesellschaftliche Akzeptanz und vor allem die praktische Umsetzung. Wir brauchen ein neues BauGB, das bezahlbares Wohnen, den Erhalt unserer natürlichen Lebensgrundlagen und gesunde Lebensverhältnisse als die zentralen Herausforderungen unserer Zeit adressiert. Bisher haben wir ein Gesetz, das aus der Gründung der Bundesrepublik heraus immer weiter ergänzt und fortgeschrieben wurde. Wir benötigen ein BauGB, das diese Herausforderungen gleichrangig berücksichtigt und gleichzeitig dazu beiträgt, Komplexität zu reduzieren. Hier können wir mit unserer Praxisorientierung einen wesentlichen Beitrag leisten.

Im Bundestag wurde ein 500-Milliarden-Paket für die Infrastruktur verabschiedet, von denen 100 Milliarden für den Klima- und Transformationsfonds vorgesehen sind. Wie sollten diese Milliarden aus Sicht der Städte und ihrer Grünflächenämter investiert werden?

Wiesendamm RKastanien Foto Doobe DSCN9874 400x300sRosskastanienallee in Hamburg, Wiesendamm, Foto Doobe, 2008Die grüne Infrastruktur ist ein zentraler Teil der Infrastruktur und gleichzeitig unsere Lebensgrundlage. Daher bin ich zunächst sehr froh, dass der Begriff der grünen Infrastruktur allen klar vor Augen führt, wir vertreten zentrale Belange. Der Handlungsdruck in unseren Städten wird immer weiter steigen und die unbestrittene Notwendigkeit zur Klimaanpassung allen und den Bürgerinnen und Bürgern immer bewusster werden. Aus meiner Sicht benötigen daher, unabhängig von einer politischen Ausrichtung, die Kommunen künftig noch stärkere Unterstützung. Das Aktionsprogramm Natürlicher Klimaschutz und insbesondere das Förderprogramm „Natürlicher Klimaschutz in Kommunen“, sind hier aktuell richtungsweisend. Wir brauchen mit der Praxis abgestimmte Maßnahmenpakete und ein einfaches Beantragungs- und Abrechnungsprocedere. Nur so werden wir schneller in der Umsetzung und können vor allem auch kleinere Kommunen und den ländlichen Raum erreichen. Hiervon brauchen wir mehr und meine Hoffnung ist, dass sich die Städtebauförderung hieran künftig orientiert. Denn gerade hier besteht erheblicher Nachholbedarf.


Stadt+Grün