Die Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen (FGSV e.V.) hat die neuen „Richtlinien zum Schutz von Bäumen und Vegetationsbeständen bei Baumaßnahmen“ (R SBB), Ausgabe 2023, herausgegeben. Diese ersetzen die „Richtlinien für die Anlage von Straßen, Teil: Landschaftspflege, Abschnitt 4: Schutz von Bäumen, Vegetationsbeständen und Tieren bei Baumaßnahmen“ (RAS-LP 4), Ausgabe 1999. Die R SBB wurden grundlegend überarbeitet und sind als ein R 1 Regelwerk herausgekommen. R 1-Veröffentlichungen der FGSV umfassen Vertragsgrundlagen sowie Richtlinien, die eine hohe Verbindlichkeit haben, vor allem, wenn sie Vertragsbestandteil sind.
Diese Richtlinien geben Vorgaben, Empfehlungen und Hinweise zum Schutz und zur Erhaltung von Bäumen und Vegetationsbeständen bei der Planung und Ausführung von Straßenbaumaßnahmen. Sie sind im engen Zusammenhang mit der DIN 18920 (Vegetationstechnik im Landschaftsbau - Schutz von Bäumen, Pflanzenbeständen und Vegetationsflächen bei Baumaßnahmen) zu sehen. Die DIN 18920 erschien vor zehn Jahren und ist bis heute unverändert gültig.
Die R SBB wurden mit dem Allgemeinen Rundschreiben Straßenbau (ARS) Nr. 28/2023 des BMDV vom 27.12.2023 eingeführt und enthalten konkretisierende und ergänzende Aussagen sowie grafische Darstellungen zu deren Umsetzung für den Straßenbau. Leistungstexte zur Umsetzung von Schutz- und Schadensbegrenzungsmaßnahmen sind im Standardleistungskatalog für den Straßen- und Brückenbau (STLK-StB) enthalten. Der STLK vereinheitlicht die zur Beschreibung von Bau- und Lieferleistungen im Straßen- und Brückenbau verwendeten Leistungstexte und dient der rationellen sowie rechtsicheren Erstellung von Verdingungsunterlagen, der Ausschreibung, Vergabe und Vertragsabwicklung. Grundlage ist die Verdingungsordnung für Bauleistungen (VOB) sowie die für den Tiefbau eingeführten bundeseinheitlichen Technischen Regelwerken, insbesondere den Zusätzlichen Technischen Vertragsbedingungen (ZTV).
Die R SBB sollen allen Personen, die mit Straßenbaumaßnahmen befasst sind, fachliche Handlungskriterien vermitteln. Sie zeigen Schadensursachen und Wirkungen auf und schlagen Voruntersuchungen und Maßnahmen zum Schutz und zur Schadensminimierung sowie zum Rückbau von Schutzeinrichtungen vor. Zahlreiche Bilder unterstützen und illustrieren den Regelwerkstext.
Rechtliche Grundlagen für den Schutz und die Erhaltung von Bäumen und Vegetationsbeständen sind europarechtliche Vorgaben (FFH-Richtlinie, Vogelschutz-Richtlinie), das Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG) in Verbindung mit den landesrechtlichen Bestimmungen sowie örtlichen Baumschutzverordnungen oder -satzungen. Beeinträchtigungen der zu schützenden Bestände sind im Sinne der Eingriffsregelung sowie der artenschutzrechtlichen Bestimmungen grundsätzlich zu vermeiden.
Der FGSV-AK "Landschaftspflegerische Ausführungsplanung" wird zur R SBB eine erweiterte Baumartenliste für die bundesweite Verwendung an Straßen außerorts entwickeln. Wesentliches Arbeitsergebnis soll eine systematisch auswertbare Datenbank werden, die u.a. auf bundesweite Facherfahrungen der Straßenbauverwaltungen sowie weiteren Forschungsvorhaben basiert. Eine Umfrage u.a. an bundesdeutsche Grünflächenämter ist bereits im Februar 2024 angelaufen.
Dabei hat sich der AK das Ziel gesetzt, den derzeitigen Wissensstand zum Thema Baumpflanzungen vor dem Hintergrund des Klimawandels abzubilden sowie Handlungsmöglichkeiten unter Berücksichtigung des § 40 BNatSchG (Einsatz von gebietstypischen Gehölz- und Baumarten) aufzuzeigen.
Zu dieser Fragestellung hat die Deutsche Gartenamtsleiterkonferenz eine ausführlich begründete Haltung und diese bereits im Jahr 2011 in einem GALK-Positionspapier "Verwendung von nicht heimischen Baumarten am innerstädtischen Straßenstandort" für eine Versachlichung der Diskussion veröffentlicht.
Die Struktur der R SBB orientiert sich weitgehend an der Vorgängerversion aus dem Jahr 1999. Behandelt werden in den R SBB:
- Voruntersuchungen,
- Schutz- und Schadensminimierungsmaßnahmen,
- Schutzmaßnahmen für Bäume und Vegetationsbestände,
- Schadensminimierung bei Bäumen und Vegetationsbeständen sowie
- Rückbau von Schutzeinrichtungen.
Die Überarbeitung der Richtlinien machte jedoch Aktualisierungen erforderlich.
Eine Reihe verwendeter Begriffe mussten an die geltenden Begrifflichkeiten anderer Regelwerke angepasst werden. Zudem sind in den neuen Richtlinien die Hinweise zum Schutz von Tieren bei Baumaßnahmen entfallen, die in der RAS-LP 4 noch behandelt wurde. Diese entfallenen Hinweise werden in einem eigenen Regelwerk der FGSV, die „Hinweise zum Artenschutz beim Bau von Straßen“ (H ArtB 2017), abgehandelt.
Kapitel 1 den Maßnahmen vorangestellt, um zu unterstreichen, dass Bäumen und Vegetationsbeständen bereits in einem frühen Planungsstadium vor Beginn jeglicher Baumaßnahmen zu berücksichtigen sind. Unterschiedliche Planungsvarianten sind dabei zu beurteilen und es ist zu prüfen, ob und wie Bäumen und Vegetationsbeständen erhalten werden können. Grundlagen dafür bieten u.a. die FLL-Baumkontrollrichtlinien (2020) sowie das Buch „Verkehrssicherheit und Baumkontrolle“ (Institut für Baumpflege, 2022). Die Voruntersuchungen werden als
Bei Baumaßnahme, die im Wurzelbereich geplant sind, müssen Suchgräben in Absaugtechnik und/oder in Handschachtung angelegt werden, mit deren Hilfe bei allen zu erhaltenden Bäumen der Wurzelverlauf abzuklären ist (siehe auch DIN 18920).
der RAS-LP 4 gab es bei den Abstände von Abgrabungen zum Baum. Grundsätzlich sind weiterhin alle Erdarbeiten, Materiallager etc. stets so weit wie möglich vom Baum entfernt durchzuführen. Das Gremiums hat sich aber entschieden, den vierfachen Stammumfang als Maß für die Festlegung der Mindestabstände nicht mehr in die R SBB zu übernehmen.
Änderungen gegenüber der
Bei der Planung und Durchführung von Baumaßnahmen sollen jegliche Standortveränderungen weitestgehend vermieden werden. Geplante Bauwerk, der dazugehörige Arbeitsraum, Ver- und Entsorgungsleitungen sowie die Baustelleneinrichtung sollen außerhalb des Wurzelbereichs der zu schützenden Bäume bzw. außerhalb der zu schützenden Vegetationsbestände angelegt werden.
ie R SBB unterscheiden zwischen Schutz- und Schadensminimierungsmaßnahmen, die in eigenen Kapiteln vorgestellt werden.
Weil Bäume bei Baumaßnahmen in ihrem Umfeld stets um die gleichen Flächen konkurrieren, werden die Erdarbeiten im Wurzelbereich sowie dessen Beeinträchtigung durch bauliche Eingriffe ausführlich behandelt. D
Als Schutzbereich gilt weiterhin die Bodenfläche unter der Krone von Bäumen (Kronenprojektionsfläche) zuzüglich 1,5 m nach allen Seiten (siehe hierzu auch DIN 18920). Bei Säulenformen sowie auch bei Bäumen im engen Bestand mit schmalen Kronen umfasst der Schutzbereich abweichend davon 5,0 m nach allen Seiten. Kann dieser Bereich aus Platzgründen nicht umfassend geschützt werden, kommen Maßnahmen zur Schadensminimierung zu tragen. Dabei muss der Schutzbereich jedoch so groß wie möglich sein und insbesondere die offene Bodenfläche umfassen.
Die behandelten Schutzmaßnahmen für Bäume und Vegetationsbestände im Kapitel 3 der R SBB umfassen:
- Zwischenlager (gilt auch für anfallendes Material bei der Baufeldräumung sowie bei Abbruch- und Bodenarbeiten).
- Schutzzäune (beispielsweise ortsfeste Zäune zum Schutz des gesamten Wurzel- und Kronenbereichs von Bäumen und/oder der zu schützenden Vegetationsbestände)
- Grabenlose Leitungsbauverfahren (Verlegung von Ver- und Entsorgungsleitungen in geschlossener Bauweise)
- Leitungsbauverfahren mit offener Baugrube (Herstellung von Leitungsgräben unter Schonung des Wurzelwerks durch Absaugen oder in Handarbeit.
Die Möglichkeiten zur Schadensminimierung für Bäume im Kapitel 4 sind deutlich umfangreicher geworden und beinhalten:
- Bodenauftrag (vorübergehende oder dauerhafte Aufschüttungen)
- Bodenabtrag (vorübergehender oder dauerhafter Abtrag, auch Baugruben und Geländeeinschnitte).
- Bodenverdichtungen (beispielsweise durch Befahren mit Fahrzeugen, Lagerung von Materialen)
- Vernässung und Überstauung (beispielsweise durch baubedingte Wasserableitung)
- Schichten- und Grundwasser (Änderungen durch Erdarbeiten)
- Freistellen älterer Bäume (beispielsweise in Gehölzbeständen für den Neubau von Straßen)
- Weitere Schäden an Bäumen durch Verunreinigungen im Wurzelbereich (Treibstoff, Öle, Zement, Salze etc.) oder Beschädigungen des Baumes (Baumaschinen, Drähte, Nägel, Ketten etc.)
- Verpflanzen von Bäumen (Erhalt von Bäumen durch Verpflanzung).
Demgegenüber sind die Möglichkeiten zur Schadensminimierung bei Vegetationsbeständen sehr gering. Entsprechend kurz ist das Kapitel 5 ausgefallen.
Der Rückbau von Schutzeinrichtungen spielt oft eine entscheidende Rolle, denn Erfahrungen aus der Praxis zeigen, dass es häufig auch nach Abschluss der eigentlichen Baumaßnahme aus Unwissenheit oder Zeitdruck zu erheblichen Beschädigungen am Baum kommt. Dies kann im Wurzelbereich beim Ausbau von Spundwänden geschehen oder an Stamm und Krone beim Abtransport von Großgeräten oder dem Rückbau von Schutzzäunen. Selbst bei den wünschenswerten Rekultivierungsarbeiten nach Ende der eigentlichen Baumaßnahmen können Bäume und Vegetationsbestände erheblich geschädigt werden, weshalb auch zum Abschluss eines Bauvorhabens der Baumschutz überwacht werden muss.
Eine ausführliche Beschreibung aller für die neuen R SBB vorgenommen Aktualisierungen wird in einem Fachbeitrag von Prof. Dr. Dirk Dujesiefken bei B_I MEDIEN vorgestellt:
Fazit aus baumfachlicher Sicht
"Der Schutz von Bäumen ist auf vielen Baustellen möglich, er muss aber frühzeitig und darf nicht erst in der Realisierungs-/Ausführungsphase berücksichtigt werden. Ein konsequenter Baumschutz erfordert genauso eine planerische Herangehensweise, wie sie auch für jeden anderen Aspekt des Baugeschehens gilt. Hierzu bedarf es der frühzeitigen Einbindung einer fachkundigen Person in die Bauabläufe, die sich ausschließlich dem Baumschutz widmet. Dieser „Fachbauleitung Baumschutz“ wird der Schutz von Bäumen erleichtert, wenn bei den beteiligten Personen ein grundsätzliches Verständnis für die Bedürfnisse von Bäumen vorhanden ist und von vornherein ein gewisser Mehraufwand akzeptiert wird. War der Schutz von Bäumen im Bereich einer Baustelle erfolgreich, dann können sie auch viele Jahre nach Beendigung der Baumaßnahme ihre vielfältigen und wichtigen Funktionen in vollem Umfang erfüllen" (Lichtenauer, A.; Gaiser, O.; Streckenbach, M., 2023).
"Für einen nachhaltigen Baumerhalt ist es entscheidend, dass der Baumschutz auf Baustellen so organisiert wird, dass dieser konsequent umgesetzt wird" (Amtage 2019). "Die Baumschutzfachliche Baubegleitung leistet hierbei einen elementaren Beitrag. Dafür ist es jedoch zwingend notwendig, dass sie von Beginn der Planung bis zum Abschluss der Baumaßnahmen beratend und begleitend tätig ist und dass alle für den Baumschutz geltenden Normen, Regelwerke sowie Merkblätter berücksichtigt werden" (Dujesiefken 2021).
Die fachgerechte Ausschreibung, z. B. gemäß ZTV-Baumpflege (2017), spielt für den Erfolg der Baubegleitung eine ganz zentrale Rolle. Noch immer ist bundesweit eine spezielle und konsequente Begleitung von Baumaßnahmen bezüglich des Baumschutzes häufig mangelhaft oder bleibt völlig aus. Deshalb erarbeitet die FLL zurzeit einen Fachbericht, der den Baumschutz von der Planungs- bis Ausführungsphase berücksichtigt (Amtage & Büttner 2021). Als Ziel soll dieser Fachbericht die Kommunikation zwischen den verschiedenen Gewerken verbessern, um so die einzelnen Arbeitsschritte erfolgreich koordinieren zu können. Neben der Zuständigkeit und Dauer der Baumschutzfachlichen Baubegleitung wird ausführlich dargestellt, wie diese zeitlich eingebunden werden soll. Die bisherigen Arbeitsergebnisse wurden auf den Deutschen Baumpflegetagen in Augsburg 2024 von Thomas Amtage, Leiter dieses Ausschusses, sowie Tanja Büttner, Fachreferentin der FLL, vorgestellt.