Freiraumentwicklung ist immer auch Stadtentwicklung. Landschaft und naturräumliche Gegebenheiten haben historisch bei der Gründung und Entwicklung der Städte eine wichtige Rolle gespielt. Dazu gehört z.B. die Verfügbarkeit von Trinkwasser, die Lage an wichtigen Handelswegen, die Meidung von unwettergefährdeten Gebieten etc..
Immer wurde eine Stadt durch Freiräume definiert und entwickelt (Haupt- oder Marktplätze, Gassen und Wege). Historische Plätze, Parks und Gärten prägen noch heute das Bild vieler Städte. Hinzu kamen mit der Entfestigung Grünsysteme, die bis heute Grundlage der Stadtentwicklung sind. Im 20. Jahrhundert sind teilweise bewusst naturräumliche und konzeptionell freiräumliche Strukturen (Achsen, Ringe) der Stadtentwicklung zugrunde gelegt worden.
Bereits mit Lenné und spätestens seit Mitte des 19. Jahrhunderts mit der Entstehung der ersten Volksparks und verstärkt durch Martin Wagners Werk „Das sanitäre Grün der Städte - ein Beitrag zur Freiflächentheorie“ (1915) rücken die grünen öffentlichen Freiräume in den Blickpunkt der Stadtentwicklung. Es entstehen immer mehr kommunale Gartenämter.
Die städtebaulichen Planungen der Nachkriegszeit haben sich über Jahrzehnte hinweg stark an funktionalen Vorgaben ausgerichtet: Trennung von Wohn- und Arbeitsstätten, gute verkehrliche Erschließung und ausreichende Ver- und Entsorgungsleitungen.
Ausschließlich nach diesen Gesichtspunkten geplante Stadtbezirke und Städte gehören heute häufig zu den kommunalen Problemzonen in alten wie neuen Bundesländern. Sie entsprechen tatsächlich nicht den Anforderungen an ein Leben in der Stadt. Auch die Frei- und Grünräume waren oft vor allem monofunktional definiert, zum Teil sogar nur als Abstandsraum. Dabei ist in der Regel nicht die zu geringe Quantität dieser Freiräume und Grünflächen das Problem, sondern ihre Qualität und Nutzbarkeit in Verbindung mit deren räumlicher Trennung und Zerschneidung.
Angesichts der wirtschaftlichen und städtebaulichen Entwicklungen in der 2. Hälfte des 20. Jahrhunderts haben viele Kommunen ihre Grünanlagen als Flächenreserve für bauliche Entwicklungen betrachtet. Die damit einhergehende stadtpolitische Geringschätzung öffentlichen Grüns hat sukzessiv zu einem Dilemma geführt, das sich heute oftmals in einer Unterversorgung der verdichteten Innenstadtbereiche mit nutzbarem Grün ausdrückt. Erst im Zuge des Wahrnehmungs- und Bewusstseinswandels der letzten zehn Jahre, hervorgerufen durch den Stellenwert, den die NutzerInnen längst definiert haben, rückt die Bedeutung des städtischen Grüns wieder in den Fokus der gesamtstädtischen Betrachtung. Jetzt wird allerdings das Problem deutlich, dass den wachsenden Ansprüchen in Bezug auf Quantität und Qualität der Grünversorgung eine über viele Jahre hinweg sich verstetigende Ressourcenverknappung sowohl von Personal als auch finanziellen Mitteln gegenübersteht.
Seit nunmehr gut 150 Jahren erfüllen Grünflächen in der Stadt unverzichtbare soziale und gesundheitliche Bedürfnisse der Bewohner. Aktuell übernehmen Grünflächen nicht nur stadtklimatisch und stadthygienisch wichtige Funktionen, sondern sind die wichtigsten Freizeitorte und Treffpunkte unterschiedlichster sozialer Gruppen. Mit den zunehmenden Anforderungen an eine robuste und widerstandsfähige Stadt ist zwingend eine Weiterentwicklung der städtischen Grünflächen erforderlich.
Der Freiraum bietet sich auch heute prädestiniert zur weiteren Entwicklung der Städte an:
Forderung: Für Städte sind Gesamtkonzepte und Strategien für die Freiräume und das Stadtgrün zu entwickeln, als Basis für die nachhaltige Stadtentwicklung. Die Städte müssen bei der Erarbeitung dieser Konzepte gefördert werden.
Grüne Infrastruktur umfasst Räume wie Parkanlagen, Friedhöfe, Kleingärten, Spielbereiche und Spielplätze, Außenanlagen von Kitas und Schulen, Sportflächen, Grün und Bäume im Straßenraum, Außenräume an öffentlichen Gebäuden, Bäche und Retentionsraum, Wald, Plätze, siedlungs- und wohnungsbezogene Freiflächen, …
Der Begriff „Infrastruktur“ unterstreicht die „Versorgungsleistungen“ der urbanen Grün- und Freiräume. Dazu gehören insbesondere deren Nutzungsmöglichkeiten für Bürger und Besucher, Ökosystemleistungen sowie auch die kulturellen Werte urbaner Frei- und Grünräume (z.B. historische Anlagen und Gartendenkmale). Diese grüne Infrastruktur erfüllt damit vielfältige Werte - soziale, ökologische, ökonomische und kulturelle - für die Bürger und das gesamte Stadtgefüge. Sie unterliegt sich ändernden gesellschaftlichen und ökologischen Anforderungen. Erforderlich ist eine integrierte Freiraumplanung mit einer entsprechenden fachlichen Leitung und Koordination aller Beteiligten und aller Anforderungen. Integrierte gesamtstädtische Freiraumkonzepte sollen die Vernetzung grüner Infrastruktur, die Multifunktionalität und die überlagernden Werte der Freiräume sowie das Grünflächenmanagement berücksichtigen. Grundlagen für die integrierte Freiraumplanung und Stadtentwicklung bieten die fachlich sektoralen Freiraumplanungen wie Friedhofentwicklungspläne, Fachpläne für Kleingärten, Biodiversitätsstrategien, Strategien zur Anpassung an den Klimawandel, Strategien für Sport, Bewegung und Spiel (Sportentwicklungsplanung, Spielleitplanung) u.a. Um Mehrwerte für die städtischen Grün- und Freiräume zu erreichen, müssen alle Fachdisziplinen für eine integrierte gesamtstädtische Freiraumentwicklung zusammenarbeiten. Zudem müssen Grün-, Freiraum- und Umweltaspekte unterschiedlichster Akteure und Eigentümer mit einfließen. Diese gesamtstädtische Freiraumplanung ist ein essentieller Bestandteil einer integrierten Stadtentwicklung.
Eine fachlich qualifizierte, integrierte Freiraumplanung ist somit eine obligatorische Vorgabe für eine innovative und nachhaltige Stadtentwicklung.
Forderung: Die Förderpolitik des Bundes muss auf gesamtstädtische Freiraumkonzepte ausgerichtet werden:
Das Gesamtkonzept soll zwingend dazu führen, dass die Frei- und Grünflächen auf Dauer unterhalten werden können. Die rechtlich verbindliche Verankerung eines gesamtstädtischen integrierten Freiraumentwicklungsplanes ist im Baugesetzbuch abzusichern. Die unterschiedlichen Verbindlichkeiten, Inhalte und Umgriffe in den Bundesländern müssen durch bundesrechtliche Regelungen angeglichen werden.
Grünflächen sind vor allem aufgrund ihrer natürlichen Prozesse immer in Entwicklung. Eine Kopplung von Planung und Bau sowie Unterhalt und Pflege ist für ihre nachhaltige Sicherung und Entwicklung unabdingbar. In der Planung muss mit dem Unterhalt auf eine robuste Ausführung und effiziente Pflege geachtet werden. Der Unterhalt umfasst mit der Planung das gesamte Management zur weiteren Entwicklung der Räume. Datenerfassung und -haltung, Maschinen- und Fahrzeugmanagement, Festlegungen von Pflegestandards, Energie- und Verwertungsmanagement oder Lebenszykluskosten sind nur Stichpunkte, die den Rahmen dieses weiten Feldes umreißen.
Modernes Grünflächenmanagement ist als dringend notwendige Struktur in den Fachverwaltungen mindestens jeder Großstadt zu etablieren. Hier gibt es teilweise noch erheblichen Nachholbedarf, auch bedingt durch die Zuordnung der grünen Fachverwaltungen zu fachfremden Einheiten.
Grünflächenmanagement ist allerdings derzeit noch kein eindeutig definierter Begriff. Forschungsvorhaben und Forschungs-Praxis-Projekte können das Etablieren eines aktuellen, gesamthaften Grünflächenmanagements unterstützen.
Die besten Voraussetzungen für ein modernes und umfassendes Grünflächenmanagement bieten kompetent und bedarfsorientiert ausgestattete Fachämter, die von der konzeptionellen Planung bis zur technischen, ökonomischen und ökologischen Pflege aus einer Hand agieren können.
Forderung: Eine ausreichende Mittelversorgung zur Sicherung und Weiterentwicklung bestehender Grünanlagen sowie zur Schaffung und dauerhaften Unterhaltung neuer Anlagen (unter Berücksichtigung der Lebenszykluskosten) muss gewährleistet sein. Dazu sollten wirksame Instrumente entwickelt werden, zum Beispiel:
Förderprogramme für urbane Grün- und Freiraumentwicklung oder entsprechende Schwerpunktsetzung in der Städtebauförderung (Förderung mit reduziertem Eigenanteil für Kommunen in Haushaltsnotlagen, inkl. Unterhalt für eine bestimmte Zeitspanne).
Zu den wesentlichen Folgen des Klimawandels zählen u.a.:
Für eine nachhaltige Entwicklung der Städte sind Maßnahmen zur Anpassung an den Klimawandel unabdingbar:
Am Ende könnte die Entwicklung grau-grüner Infrastruktur stehen, die einerseits wesentlichen Einfluss auf die Resilienz der Städte und Regionen gegenüber den Klimawandelfolgen haben kann, als auch eine Vernetzung von Bau-, Grün- und Wasserflächen zu einem gesamtstädtischen System, die soziale Infrastrukturen im öffentlichen Raum unterstützt.
Forderung: Die Grünflächenämter müssen bei der Erarbeitung und Umsetzung von Klimaanpassungsstrategien über die grüne Infrastruktur unterstützt und gefördert werden.
Die im Grünbuch „Grün in der Stadt“ aufgezeigten Handlungsfelder bedürfen für eine erfolgreiche Umsetzung gemeinschaftlicher Anstrengungen. Dazu gehören ein Blick über die Grenzen von Fachdisziplinen, eine effiziente Zusammenarbeit und gegenseitige Unterstützung von Bund, Ländern und Kommunen sowie ein breiter öffentlicher Diskurs von Politik und Bürgern.
Die Stärke grüner Infrastruktur besteht darin, dass sie verschiedene Anforderungen, Leistungen und Werte verbindet. Essentiell für eine gesamträumliche, integrierte Grün- und Freiraumentwicklung ist eine effiziente, erfolgreiche Zusammenarbeit zahlreicher Disziplinen (Landschaftsarchitekten, Tiefbauingenieure, Stadtplaner, Architekten, Ökologen, Sozialwissenschaftler, Kulturwissenschaftler, Künstler u.a.).
Die verschiedenen an der Freiraumentwicklung beteiligten Fachdisziplinen müssen verstärkt vernetzt werden. Dies gilt entsprechend auf Landes- und Bundesebene. Sinnvoll ist, dazu entsprechende Strukturen der Zusammenarbeit zu etablieren.
Forderung: Die Entwicklung von „Grünen und lebenswerten Städten“ fordert eine Zusammenarbeit unterschiedlicher Fachdisziplinen auf „Augenhöhe“. Die Grünflächenämter können hier eine koordinierende Funktion übernehmen.
Für eine ausreichende Grün- und Freiraumausstattung in urbanen Gebieten müssen Mindestanforderungen quantitativ und qualitativ bestimmt werden. Sowohl eine ausreichende Grundausstattung urbaner Infrastruktur als auch vielfältige Leistungen und Werte sorgen für Nachhaltigkeit und Resilienz des Stadtgefüges heute und für kommende Generationen. Nur durch Mindeststandards kann der durch das Grünbuch „Grün in der Stadt“ initiierte Prozess langfristig zum Erfolg geführt werden. Ziel ist ein einheitlicher Mindeststandard durch Qualitätsnormen (unterschiedliche Beispiele bestehen derzeit für einzelne Städte; Formulierungen von Zielen für Erreichbarkeit und Versorgung liegen von der WHO vor).
In der Konsequenz muss auch der Unterhalt für diese Mindeststandards definiert und finanziell gewährleistet werden können.
Bei Nachverdichtungen kann dann das Ziel der doppelten Innenentwicklung / integrierten Stadtentwicklung durch einen quantitativen und qualitativen Rahmen genauer definiert und nachhaltig gesteuert werden. Diese formellen Instrumente werden für eine qualitätserhaltende Innenentwicklung benötigt.
Die Möglichkeit des Verzichts auf eine Kompensationsverpflichtung sowie die Möglichkeit, einen Ausgleich in der Abwägung auszuschließen, sind im Baugesetzbuch zu streichen.
Zudem sollte zur Sicherung von erhaltenswerten Bäumen auf Nachbargrundstücken von Neubauten (insbesondere Tiefgaragen) im Baugesetzbuch ein entsprechender verpflichtender Prüfauftrag im Rahmen der Baugenehmigung integriert werden.
Forderung: Die Gartenamtsleiterkonferenz fordert das BMUB auf, einen Prozess zur Entwicklung und Sicherstellung von Richtwerten einzuleiten und den Schutz vorhandenen Grüns durch entsprechende Paragraphen im Baugesetzbuch zu manifestieren.
Grün- und Freiräume erfüllen vielfältige Aufgaben für Bürger und Stadt: Erschließung/Mobilität über Grünzüge, Spielmöglichkeiten für Kinder, wohnungsnahe Freiräume, Bewegungs- und Sportmöglichkeiten, Orte der Bestattungen und Vieles mehr.
Die strategische Anlage von Grün- und Freiräumen ist in der Bauleitplanung mit verankert. Zahlreiche Aufgaben sind für die Kommunen verpflichtend: Dazu gehören die Friedhöfe oder der Naturschutz als hoheitliche Aufgaben ebenso wie Renaturierungsmaßnahmen nach der Europäischen Wasserrahmenrichtlinie sowie die Bereitstellung von Spielmöglichkeiten, Schulhöfen und Kita-Außenanlagen mit Mindestgrößen. Selbstverständlich ist deren verkehrssicherer Unterhalt eine Pflicht. Die Kommunen müssen in die Lage versetzt werden, dieser Pflichtaufgabe nachzukommen. Grundvoraussetzung hierfür ist die entsprechende personelle und finanzielle Ausstattung.
Forderung: Die öffentlichen Grün- und Freiflächen sind mit ihren Leistungen und Werten ein essentieller Bestandteil der Städte. Grünplanung, Grünversorgung und Grünpflege sind für die Kommunen als Pflichtaufgabe zu definieren. Die Verankerung von Grün als Pflichtaufgabe ist ein wesentlicher Schritt, um die formulierten Ziele im geplanten Weißbuch in der Umsetzung zu sichern. Ein entsprechender Rahmen für die Ländergesetzgebung ist vorzubereiten.
In der Forschung bedürfen der Zusammenhang von Freiraum- und Stadtentwicklung sowie einem modernen Grünflächenmanagement einer Vertiefung. Dazu sind insbesondere inter- und transdisziplinäre Betrachtungen hilfreich:
Forderung: Die Förderung der Forschung ist aus der Sicht der GALK mit Schwerpunkt auf die Zukunft der Städte auszurichten. Ziel ist die „Lebenswerte soziale und grüne Stadt“, die durch moderne Grünflächenämter und ein entsprechendes Grünflächenmanagement entwickelt und langfristig funktionsfähig gehalten wird.